Medizin

Zombiepilz wirkt gegen Krebs

Forscher entschlüsseln Anti-Krebseffekt des parasitischen Insektenpilzes Cordyceps

Coryceps wächst aus toter Raupe
Der parasitische Pilz Cordyceps militaris befällt Schmetterlingsraupen und tötet sie spätestens im Puppenstadium. Hier wachsen Fruchtkörper dieses Pilzes aus einer toten Raupe heraus. © Daniel Winkler/ Mushroaming; University of Nottingham

Für Raupen tödlich, für uns heilsam? Der parasitische „Zombiepilz“ Cordyceps militaris könnte sich als wertvoller Helfer gegen Krebs erweisen. Denn sein Inhaltsstoff Cordycepin hemmt das Wachstum und Streuen von menschlichen Krebszellen, wie eine Studie mit Zellkulturen und Mäusen nun bestätigt. Sie zeigt auch, wie der Insektenpilz dies bewirkt. Demnach hemmt das im Pilz enthaltene Cordycepin gleich zwei von Krebszellen genutzte Wachstumsfaktor-Signalwege – das unterstreicht sein Potenzial für die Krebsmedizin, wie die Forschenden erklären.

Sie sind die „Walking Dead“ des Insektenreichs: Wenn sich Ameisen, Fliegen oder -Schmetterlingsraupen mit Sporen der parasitischen Cordyceps-Pilze infizieren, werden sie zu wandelnden Toten. Denn in ihnen wächst nun ein Pilz heran, der die Insekten langsam von innen aufzehrt und letztlich tötet. Einige Arten dieser Pilzgruppe wandern sogar ins Gehirn der Tiere ein und manipulieren ihr Verhalten – ihre Opfer werden zu pilzgesteuerten „Zombies“.

getrocknete Cordyceps-Pilze
Getrocknete, als chinesisches Heilmittel gezüchtete und verkaufte Exemplare des Pilzes Cordyceps militaris. © Yel D’ohan/ CC-by-sa 4.0

„Puppenkernkeule“: Tödlich und heilsam zugleich?

Doch einer dieser „Zombiepilze“ könnte sich für uns Menschen als nützlich und sogar heilsam erweisen: Cordyceps militaris. Er befällt vor allem Schmetterlingsraupen und tötet sie noch vor dem Ende ihrer Puppenzeit ab. Aus den toten Schmetterlingspuppen wachsen dann die leuchtend orangefarbenen, länglichen Fruchtkörper des Pilzes. Diese „Puppenkernkeule“ gilt in Asien schon länger als Naturheilmittel, die Extrakte sollen gegen Husten, Erkältungen und Lungenerkrankungen helfen, aber auch die Nieren stärken und als Aphrodisiakum wirken.

Noch spannender ist Cordyceps militaris aber für die Krebsmedizin. Denn der aus dem Pilz isolierte Inhaltsstoff Cordycepin wirkt hemmend auf das Wachstum von Krebszellen und scheint in diesen unter anderem in die Produktion der Boten-RNA einzugreifen. „Bisher ist jedoch unklar, wie genau das Cordycepin seine therapeutischen Effekte erzielt“, erklären Steven Lawrence von der University of Nottingham und seine Kollegen. Deshalb haben sie nun die Wirkung des Pilzextrakts auf zelluläre Prozesse und die Genexpression bei verschiedenen menschlichen Krebszelllinien und in Mäusen untersucht.

Doppelter Effekt gegen Krebszellen

Die Analysen enthüllten: Wird der Pilzwirkstoff Cordycepin von einer Krebszelle aufgenommen, reichert diese ihn an und wandelt ihn in Cordycepin-Trisphosphat um – ein Analog des zellulären Energiemoleküls ATP. „Unsere Daten zeigen, dass die Konzentrationen des Cordycepin-Trisphosphats auf das Zehnfache der anfänglichen Cordycepin-Konzentration ansteigen“, berichten Lawrence und sein Team. Dieses angereicherte Molekül erwies sich in weiteren Tests als der entscheidende Akteur.

In den Krebszellen hemmt das „Zombiepilz“-Molekül demnach das Ablesen hunderter Gene und mehrere für das Krebswachstum entscheidende Signalwege. „Viele dieser Gene sind eng mit für Krebszellen typischen Merkmalen in der Angiogenese, dem Zellzyklus und den Signalwegen der Wachstumsfaktoren verknüpft“, schreibt das Team. Der Pilzwirkstoff verhindert die Produktion bestimmter Boten-RNAs in den Krebszellen und hemmt dadurch vor allem zwei für das Tumorwachstum wichtige Wachstumsfaktoren.

„Diese zweifache Wirkung auf die Schlüsselpfade von PI3K/AKT/mTOR und MEK/ERK könnte erklären, warum das Cordycepin so stark auf die Vermehrung und das Überleben von Krebszellkulturen wirkt“, erklären Lawrence und seine Kollegen. „Die Hemmung mehrere Signalwege ist zudem ein Vorteil für die Krebstherapie, weil dies das Risiko von Resistenzen verringert.“

Tumorwachstum mit und ohne Cordycepin
Tumorwachstum bei Mäusen mit (rosa) und ohne Cordycepin-Gabe. © Lawrence et al./ FEBS Letters, CC-by 4.0

Gehemmtes Tumorwachstum auch bei Mäusen

Doch wie wirksam und verträglich ist der Pilzextrakt im lebenden Organismus? Das haben Lawrence und sein Team mit krebskranken Mäusen getestet. Deren Haut war zuvor mit menschlichen Brustkrebszellen „beimpft“ worden, worauf jeweils mehrere Tumore heranwuchsen. Als Testbehandlung erhielten diese Tiere wöchentlich zwei Injektionen von 22 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht Cordycepin.

Das Ergebnis: Nach eineinhalb Monaten waren die Krebstumore der behandelten Mäuse deutlich langsamer und weniger gewachsen als bei den Kontrollmäusen. Das mittlere Tumorvolumen lag in der Cordycepin-Gruppe bei gut 0,15 Kubikzentimeter, bei den Kontrollen dagegen bei rund 0,25 Kubikzentimeter, wie die Forschenden berichten. Ergänzende Analysen ergaben, dass der Pilzwirkstoff auch das Streuen von Brustkrebszellen signifikant verringert.

„Guter Ausgangspunkt für neuartige Krebstherapeutika“

„Unsere Daten bestätigen damit, dass Cordycepin ein guter Ausgangspunkt für neuartige Krebstherapeutika ist“, sagt Seniorautorin Cornelia de Moor von der University of Nottingham. „Gleichzeitig erklären sie, wie die positiven Effekte zustande kommen.“ Das wird es erleichtern, den Wirkstoff aus dem „Zombiepilz“ als Arzneimittel für menschlichen Krebspatienten aufzubereiten. „So könnten solche Cordycepin-Derivate beispielsweise gezielt die Triphosphatform des Wirkstoffs beinhalten, um die Wirkung zu maximieren“, erklärt de Moor.

Die Kenntnis der vom Pilzwirkstoff beeinflussten Gene kann zudem dabei helfen, potenzielle Nebenwirkungen des Cordycepins abzuschätzen und Patienten gezielter daraufhin zu überwachen. Allerdings gibt es auch noch viel Forschungsbedarf, wie die Forschenden betonen. Denn sie haben zwar herausgefunden, welche Gene, Wachstumsfaktoren und Signalwege das Cordycepin hemmt. Die biochemischen Mechanismen dahinter sind aber erst in Teilen geklärt. (FEBS Letters, 2024; doi: 10.1002/1873-3468.15046)

Quelle: University of Nottingham

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